Graffiti trifft Stadt im Atelierhaus mit Alex

Wie Alex Terboven das Stadtbild verändert – und dabei sich selbst

“[Hier] sind Menschen, die sich super viel Mühe geben, die diesen Stadtteil und ganz besonders die Bochumer Straße zum Leben erwecken, das sieht man immer wieder.”

August 15, 2025

Alex Terboven lehnt sich in seinem Atelier leicht nach vorn und blickt lächelnd zur Seite, im Hintergrund Regale voller bunter Spraydosen.

Kunst mit der Dose

Alex Terboven ist kein Typ, der viel Aufhebens um sich macht. Er sprüht, gestaltet, plant Fassaden und bringt seit fast 20 Jahren Farbe in urbane Räume . Was als Jugendinteresse begann, ist heute Beruf und Berufung zugleich: Graffiti, Street Art, großformatige Wandbilder und Workshops mit Jugendlichen. Seit Eröffnung des Atelierhauses ist er dabei, dort bereitet er sich gerade auf seinen nächsten großen Schritt vor: Die Selbstständigkeit als Künstler, Vollzeit.

Dabei geht es ihm nie nur um das fertige Bild. Sondern um das, was es bei den Menschen auslöst, die daran vorbeigehen, und bei denen, die es mit ihm gemeinsam entstehen lassen. Seine Werke sind kraftvoll, zugänglich, oft groß. Sie erzählen von Stadt, Identität, Natur und manchmal auch einfach davon, wie es wäre, wenn es auf der grauen Wand plötzlich grün würde.

Vom Handwerk zur Gestaltung

Alex ist gelernter Maurer. Nach seiner Ausbildung entschied er sich für ein Studium im Bereich Kommunikationsdesign – eine Kombination, die seiner Arbeit bis heute Struktur gibt. Der gestalterische Blick ist da, das Handwerkliche ebenso. Seine ersten Aufträge: Garagentore, kleine Leinwände, freie Flächen. Heute sind es großflächige Fassaden mit bis zu 180 Quadratmetern wie etwa in Horst, Bochum oder demnächst wieder in Gelsenkirchen.

Thematisch verbindet er häufig das, was ihn selbst geprägt hat: den Bergbau, das Ruhrgebiet, das Vereinsleben rund um Schalke. Doch gerade weil diese Themen so eng mit seiner eigenen Geschichte verwoben sind, versucht er zunehmend, sie als Ausgangspunkt für weiterführende künstlerische Fragen neu zu denken.

Zwischen Auftrag und Eigenarbeit

In seiner künstlerischen Praxis unterscheidet Alex klar zwischen Auftragsarbeiten und freien Projekten. Wenn Städte, Institutionen oder Eigentümer:innen ihn beauftragen, setzt er ihre Themen um – Natur, Stadtgeschichte, lokale Identität. Dabei geht es oft darum, Orte aufzuwerten und ein positives Zeichen zu setzen. Motive wie Großstadtdschungel, industrielle Strukturen oder abstrahierte Landschaften tauchen dabei immer wieder auf.

Die freie Arbeit hingegen beginnt mit der eigenen Idee, oft mit Schriftzügen, Farben, Formen. Das ist für ihn das „eigentliche“ Graffiti: Buchstaben, Perspektiven, Rhythmus. Kunst mit der Dose, einfach aus dem Bauch heraus. Diese Arbeiten entstehen meist im stillen Rahmen, ohne Öffentlichkeit – aber mit viel persönlicher Bedeutung.

Das Atelierhaus als künstlerischer Ankerpunkt

Als das Atelierhaus Gelsenkirchen gegründet wurde, war Alex einer der Ersten, die einzogen. Der Keller zu Hause war längst zu klein, das Material zu viel, der Wunsch nach einem Arbeitsort groß. Durch einen Zeitungsartikel wurde er auf das Projekt aufmerksam, meldete sich bei der SEG und war dabei.

Für ihn bedeutet das Atelier nicht nur Platz, sondern auch Struktur. Ein Ort, an dem die Arbeit beginnen und enden kann. Kein Arbeiten am Küchentisch, kein Sprühen zwischen Alltagsaufgaben. Stattdessen Raum für Fokus, Begegnung, Weiterentwicklung. Gemeinsam mit Philipp, Fotograf im selben Haus, teilt er sich den Raum und plant erste gemeinsame Projekte, in denen Fotografie und Spraykunst aufeinandertreffen.

Sichtbarkeit für die Stadt

Was Alex antreibt, ist nicht die Selbstinszenierung. Er tut sich schwer mit dem Begriff „Künstler“, das sollen andere entscheiden, sagt er. Ihm geht es mehr um die Wirkung. Wenn Eigentümer:innen erstaunt sind, wie viel Aufwand in einem Wandbild steckt, wenn Jugendliche in Workshops zum ersten Mal selbst zur Dose greifen, wenn ein Motiv vor Ort Anerkennung findet – dann ist das für ihn der eigentliche Erfolg.

Dabei steht er hinter seinen Werken. Auch wenn sich seine Sicht auf sie mit der Zeit verändert, bleibt die Verbindung zu den Orten stark. Viele Fassaden, die er gestaltet hat, kennt er auch Jahre später noch im Detail. Es geht ihm nicht darum, dass alle seine Arbeiten mögen, aber dass sie etwas auslösen.

Was sich entwickeln darf

Derzeit steht bei Alex ein großer Schritt an: Ab August macht er sich vollständig selbstständig. Die Agenturarbeit lässt er hinter sich, um sich fünf Tage die Woche im Atelierhaus ganz dem Graffiti zu widmen. Dort möchte er nicht nur auftragsbezogen arbeiten, sondern auch wieder mehr für sich selbst. Leinwände gestalten, Serien entwickeln, vielleicht einen Onlineshop aufbauen. Nicht mit dem Ziel, kommerziell erfolgreich zu sein, sondern künstlerisch freier.

Gleichzeitig bleibt er verbunden mit dem, was ihn ausmacht: Workshops, Stadtteilprojekte, Zusammenarbeit. Seine Erfahrung zeigt, dass Sichtbarkeit nicht nur durch Ausstellungen entsteht, sondern durch Präsenz im Alltag, im Gespräch und auf der Straße.

Wünsche für den Standort: Sichtbarkeit, Austausch, Weitermachen

Alex ist fast täglich in Ückendorf. Seine Familie besucht ihn im Atelierhaus, sein Arbeitsalltag spielt sich rund um die Bochumer Straße ab. Für ihn ist das längst mehr als ein Projektstandort. Was er sich für die Zukunft wünscht, ist vor allem: Weitermachen. Dranbleiben an dem, was in den letzten Jahren aufgebaut wurde.

Er beobachtet mit Respekt, wie viele engagierte Menschen im Viertel aktiv sind und wie viel Energie in Initiativen wie „Kommse Ücken“ oder Stadtteilaktionen fließt. Die Bochumer Straße hat sich aus seiner Sicht zu einer lebendigen Achse mit wachsender Sichtbarkeit und kreativer Dynamik entwickelt. Gerade dieser Fortschritt soll nicht abbrechen. Die Stadt, sagt er, darf ruhig weiter überrascht werden von dem, was hier entsteht.

Sein Wunsch ist weniger ein neuer Ort, sondern eher ein stabiles Fundament für das, was schon da ist: Sichtbarkeit für die Arbeit, Anerkennung für das Engagement und Raum für künstlerisches Weiterdenken, auch über gängige Themen hinaus.

Vom Sprühen zum Sichtbarmachen – Alex und die Kunst im Stadtraum

Alex zeigt, dass künstlerische Arbeit nicht immer laut sein muss, um wirksam zu sein. Seine Wandbilder erzählen Geschichten, ohne viele Worte. Sie verbinden Handwerk, Erfahrung und Haltung, und sind zugleich ein Spiegel der Stadt. Ückendorf ist für ihn längst mehr als ein Arbeitsort. Es ist ein Ort der Möglichkeiten. Ein Ort, an dem Kunst nicht im Elfenbeinturm entsteht, sondern auf der Straße. Genau da, wo sie hin soll.

Hier könnt ihr mehr über Alex und seine Kunst erfahren.

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